Die Jutespinnerei in Braunschweig       von Tanja Sonnenberg

Kommt man in Braunschweig vom Wendenring aus die Spinnerstraße runter, stößt man irgendwann auf der rechten Seite auf ein historisches Portal. Dieses gehört zur ehemaligen Spinnerei.

Das Haupttor, seit ewigen Zeiten eingerüstet aber nichts passiert
Die Braunschweigische AG für Jute- und Flachsindustrie geht auf eine Betriebsgründung des jüdischen Kaufmanns Julius Spiegelberg zurück, der in Vechelde eine mechanische Spinnerei betrieb. Die hohen Schutzzölle auf englische Jute begünstigten die Aufnahme der Verarbeitung der aus Übersee importierten Jute. Die Spinnerei im Eichtal konnte daher 1874 den Betrieb unter günstigen Rahmenbedingungen aufnehmen. Jute wurde als Verpackungsmaterial und als Ausstattungsstoff für Teppiche oder Matratzen genutzt. An 2.400 Spindeln und 120 Webstühlen wirkten vorerst 400 Arbeitskräfte. Der Ausbau der Fabrik an der Oker schritt zügig voran. Nach der Gewerbezählung von 1885 arbeiteten in der Spinnerei 589 und in der Weberei 643 Personen. Die Zahl der Spindeln und Webstühle lag 1928 bei 9.180 bzw. 455, während die Zahl der Beschäftigten mit etwas 1300 dem Niveau von 1885 entsprach. Ein Brand zerstörte 1920 das Werk nahezu vollständig; bei einer weiteren Brandkatastrophe im Jahre 1923 starben bei Löscharbeiten zwei Feuerwehrmänner. Bis Ende der 1960er Jahre kam es zu mehreren Großbränden. Bei der Verarbeitung des Rohmaterials konnte es zu Funkenflug kommen, der oftmals tatsächlich die Brandursache darstellte. Durch bauliche Maßnahmen und durch die räumliche Trennung verschiedener Produktionsabläufe sollte die Barndgefahr verringert werden.
Der Brand von 1920

Für die Maschinenbedienung in feuchter, warmer und staubiger Luft wurden vor allem Frauen eingesetzt, die den größten Teil der Belegschaft stellten. Kinderarbeit, wie zuvor schon in Vechelde eingeführt, war auch bei der Aufnahme der Produktion in Braunschweig von der Firmenleitung vorgesehen. Sie wurde aber in Braunschweig nicht in gleichen Ausmaß eingeführt, da die Staatsbehörden die Einrichtung einer Fabrikschule, in der die Kinder neben der Arbeit ihrer Schulpflicht nachkommen sollten, verweigerten. Die Jute AG musste deshalb überregional günstige Arbeitskräfte anwerben und z.B. aus dem damaligen Galizien und Böhmen nach Braunschweig holen. Aber auch eine bessere Ausstattung der Fabrikhallen war erforderlich. Elektrisches Licht, eine moderne Ventilation, ein Arbeiterversammlungshaus zur Einnahme von Mahlzeiten und zum Abhalten wöchentlicher Andachten sowie Duscheinrichtungen und eine Fabrikkasse trugen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei.

Kein schöner Anblick
Seit 1970 wurde die Produktion der Jutespinnerei allmählich immer mehr eingeschränkt und z.T. nach Mauritius verlagert. Dieses Werk produziert nur bis Anfang der 1980er Jahre. Noch heute befindet sich in einem teil der ehemaligen Fabrikanlage in der Spinnerstraße 14 die Braunschweigische Jute- und Flachsindustrie Betriebs- GmbH.
Bericht: Tanja Sonnenberg www.verstecktes.de
Fotos: Michael Panitzek